Opa Theo kocht - Beitragsbild Rind
Vor vielen Jahren war es eine Institution im Speckgürtel der Landeshauptstadt Stuttgart – das Gasthaus Emile in Steinreinach / Korb. In Scharen pilgerten wir dorthin. Es war Gastrokultur in alter Perfektion, wie sie heute leider fast nicht mehr zu finden ist. Ihr Sohn Adolf in der Küche, die Emile selbst (ich glaube, sie wurde 100 Jahre alt) mit ihren Servicekräften – allzeit präsent in der Gaststube. Dort gab es allerlei schwäbische Spezialitäten: handgeschabte Spätzle, Kalbshaxen frisch aus dem Ofen, traumhaften Kartoffelsalat. Im Winter wurde der Schnee vom Gärtle weggefegt und der Feldsalat frisch geschnitten. Dazu kamen köstliches Bauernbrot aus riesigen Laiben, die im Keller auf einem Brett an der Decke lagerten, sowie eigener Fasswein. Und zu später Stunde setzte sich die Emile oftmals mit streng nach hinten gekämmtem Haar, engen Schnürstiefeln und akkurater Schürze ans Klavier. Dann sang man gemeinsam die „Vogelhochzeit“ – nicht selten gab es weit nach Mitternacht noch ein Vesper von Adolf oder Emiles selbstgebackenen Hefezopf mit Kakao oder einem Viertele Wein vom Fass. Das Sodbrennen am nächsten Tag war vorprogrammiert. Das war noch Gasthauskultur in Perfektion – leider fast ausgestorben. Warum ich das schreibe? Auch heute musste ich wieder erleben, dass der Gedanke zwar weiterlebt – es aber an der Umsetzung mangelt. Ein junges Ehepaar hat im nahen Umfeld mit besten Referenzen ein schwäbisches Restaurant eröffnet. Viel Vorschusslorbeeren, viel Eigenlob, hohe Erwartungshaltung auf echtes schwäbisches Essen. Die Preise: mittelmäßig bis hoch – für das Gebotene jedoch viel zu hoch.
  • Der Service: freundlich.
  • Das Essen: enttäuschend.
  • Maultaschen: nur warmgelegt, matschige Füllung, schlecht gewürzt, Teig aufgeweicht.
  • Kutteln: geschmacklich gut, aber fast keine Kutteln, nur Soße.
Rostbraten – die Oberkatastrophe: englisch bestellt, von der Chefin als „rare“ weitergegeben. Statt medium rare kam er bleich und zäh auf den Tisch. Nicht kurz in der glühend heißen Pfanne gewendet, ungenießbar, dazu matschige Zwiebeln. Die Soße: eine hellbraune Brühe, die schon bei den Maultaschen das Übel noch übler machte. Nach zwei Bissen habe ich den Rostbraten zurückgehen lassen. Die Chefin erklärte mir, ich sei selbst schuld, wenn ich „rare“ bestelle. Doch ich hatte „englisch“ gesagt – das wurde nur falsch interpretiert. Sie meinte außerdem, ein Rostbraten könne bei rare nicht krustig gebraten werden – was sehr wohl geht, wenn die Pfanne heiß ist und das Fleisch von guter Qualität. Angeblich verarbeite man deutsches Rindfleisch. Für mich heißt das aber nicht zwangsläufig, dass es zart ist. Fehlende Reifung? Schlechte Qualität? Der Rostbraten stand trotzdem auf der Rechnung. Ich habe stillschweigend bezahlt. Der Salat war gut – außer der Kartoffelsalat. Aber da bin ich schon froh, wenn er nicht aus dem Eimer kommt. Warum ich das schreibe: Kochen kann man lernen. Manche haben es gelernt – und können es trotzdem nicht, wenn Talent und Gespür für Produktqualität fehlen. Wäre es so einfach, dann könnte jeder Frikadellenschmied Witzigmanns Kochbücher lesen und anschließend ein 3-Sterne-Lokal betreiben.